Jüngst hat der Neusser Ausschuss für Strukturwandel, Wirtschaft und Beschäftigung beschlossen, knapp 80.000 Euro für ein Screening auszugeben, um herauszufinden, wie man das „Zukunfts-Thema Wasserstoff“ vorantreiben kann. Sicher werden als Resultat allerlei tolle Ideen präsentiert, insbesondere, weil beim Screening viele Experten mitmischen, die wirtschaftlich davon profitieren, Wasserstoff für eine tolle Idee zu halten.

Aber machen wir uns nichts vor, der wichtigste Grund gegen Wasserstoff heißt Physik. Wie wir alle aus dem Schulunterricht vielleicht noch  wissen, hat gasförmiger Wasserstoff eine sehr geringe Energiedichte pro Volumen. Wir können also nicht Wasserstoff-Ballons von der Größe der Hindenburg an unsere Autos binden, um damit von Neuss nach Köln zu fahren. Auch unter Hochdruck, in Gasflaschen abgefüllt, ist die Energiedichte nicht ausreichend für die Mobilität im Industriezeitalter… und was Energiespeicherung für stationäre Anwendungen betrifft, wer will schon neben einem haushohen Turm wohnen oder arbeiten, in dem Wasserstoff unter 700 bar Druck gelagert wird?

Die einzig gangbare Lösung ist daher die Verflüssigung. Ein Liter flüssiger Wasserstoff enthält immerhin rund 30% der Energie eines Liters Benzins. Das ist nicht beeindruckend, aber akzeptabel.

Das Problem: Wasserstoff ist nur nahe des absoluten Nullpunkts flüssig. Er muss also mit irrwitzigem Energieaufwand auf -270°C heruntergekühlt und permanent dort gehalten werden, sonst verdampft er sofort wieder. In der Praxis rechnet man bei der Speicherung mit einem Verlust von 5-10% täglich durch eben diese Verdampfung, man sollte also einmal verflüssigten Wasserstoff so schnell wie möglich verbrauchen.

Rechnet man den Energieaufwand bzw. Verlust in der gesamten Kette von der anfänglichen Elektrolyse bis zum Verbrauch des Produkts zusammen, kommt man zu dem Schluss, dass es nur wenige Methoden zur Kraftstoff-Herstellung gibt, die noch unwirtschaftlicher sind als das „Zukunfts-Thema Wasserstoff“.

Belügen wir uns also nicht selbst, indem wir jedem modern klingenden Schlagwort applaudieren, nur, weil es nach Hi-Tech klingt. Auch die fortschrittlichste Technologie beruht auf simpler Physik und nur, weil man etwas bauen kann, muss es deswegen noch lange nicht sinnvoll sein.

Das gilt auch für das oft genannte Argument, zukunftsoffen zu forschen – schließlich weiß man ja nicht, welche tollen, neuen Möglichkeiten uns in der Zukunft offenstehen. Gerne wird diese Aussage mit dem hippen Buzzword „Disruptiver Technologiesprung“ garniert.

Aber auch in der Zukunft unterliegt ausnahmslos jede Technologie grundlegenden physikalischen Gesetzen und ihren Grenzen. Und die Politik täte gut daran, realistisch zu bleiben und nicht Chimären hinterherzullaufen.

 

Rafael Rasenberger